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»Er ist ein Dichter, der malt und ein Maler, der dichtet. Sein Umgang mit Farbe ist nicht weniger poetisch als sein Umgang mit Worten. Wie Märchen zeigen sie das Unwirkliche wirklich und das Wirkliche unwirklich.« (1) Dieser Passus von Volker Michels beschreibt äußerst treffend Hermann Hesses Beziehung zur Malerei. So versuchte der Maler nicht nur die Realität in seinen Arbeiten abzubilden, sondern erzeugte vielmehr ein märchenhaftes Ideal in seinen Bildern. Mehr und mehr ging es ihm in seinen Aquarellen darum, seinen Empfindungen beim Anblick des Motivs Ausdruck zu verleihen und die Landschaften mittels einer Reduktion in ihrer Charakteristik einzufangen. Auch in unseren beiden Aquarellen wird auf diese Art die den Künstler umgebende Erscheinungswelt auf freie Weise paraphrasiert. Während in »San Mamete (Valsolda)« klare geometrische Farbfelder, umrahmt von zarten Bleistiftlinien, die freundliche italienische Landschaft am Ufer des Luganer Sees dominieren, schuf der Künstler die Arbeit »Tessiner Dorflandschaft« noch in einer abstrakteren, kubistischeren Schaffensphase. Hier gehen die geometrischen, randlosen Farbformen ineinander über, überlagern einander in ihren blassen Schattierungen und erzeugen somit eine bunte Unruhe, die die wilde Schönheit der Tessiner Natur einzufangen vermag. Die Wahl einer freundlichen, hellen Farbgebung zieht sich durch das gesamte malerische Schaffen Hesses und könnte auf den damaligen Gemütszustand des Künstlers zurückzuführen sein, der, von den Schrecken des Krieges abgestoßen, eine Art friedliche Gegenwelt in seinen Bildern suchte. So begann Hesse erst im Alter von 40 Jahren, sich im Zuge seiner traumatisierenden Erfahrungen während des Ersten Weltkrieges der Malerei zuzuwenden. Insbesondere nach seiner Übersiedlung in das nahe des Luganer Sees gelegene Dörfchen Montagnola erschuf er als Autodidakt ein umfassendes malerisches OEuvre, welches sich vornehmlich mit der atmosphärischen Berglandschaft des Tessin beschäftigte. Auch zahlreiche Gedichtillustrationen entstanden in dieser Zeit. Zu Beginn widmete Hesse den Erlös aus seiner Malerei der Kriegsgefangenenfürsorge, später unterstützte er mit den Verkäufen seiner illustrierten Gedichtzyklen Emigranten und bedürftige Kolleg:innen. Sowohl das zarte, fast ornamental wirkende Blumenbouquet zum Gedicht »Stufen« als auch die ähnlich einer Postkarte oder einem Fensterausschnitt angelegte Landschaft zu »Zur Erinnerung an Montagnola« verleihen den handschriftlichen Gedichten Hermann Hesses eine optische Frische und persönliche Note, die seiner Lyrik einen angemessenen visuellen Rahmen verleihen. 1 Volker Michels, »Farbe ist Leben – Hermann Hesse als Maler«, S.11-28, in: Galerie Ludorff, »Malerfreude – Hermann Hesse«, Ausst.-Kat., Düsseldorf 2016, S. 19.

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