Kindheit und Ausbildung
Joan Miró wurde 1893 als Sohn des Goldschmieds und Uhrmachers Miquel Miró i Adzerias aus Cornudella de Montsant und seiner Frau Dolors Ferrà di Oromí, Tochter eines Kunsttischlers aus Palma, in Barcelona geboren. Sein Geburtshaus lag in der Passatge del Credit 4 in der Altstadt Barcelonas, wo sein Vater ein Geschäft für Goldschmiedekunst und Uhren betrieb.
Plakette an Mirós Geburtshaus in Barcelona, Passatge del Crèdit 4
Als Kind begann er zu zeichnen – die frühesten erhaltenen Zeichnungen stammen aus dem Jahr 1901 – und stieß damit auf Ablehnung des kleinbürgerlich gesinnten Vaters, der für diese Beschäftigung kein Verständnis aufbrachte. Nachdem er 1907 wegen schlechter Zensuren das Gymnasium hatte verlassen müssen, begann Miró auf Wunsch des Vaters eine kaufmännische Ausbildung, nahm jedoch bis 1910 zusätzlich Kunstunterricht an der Kunstakademie „La Llotja“ in Barcelona, an der Pablo Picassos Vater José Ruiz Blasco Picasso gelehrt hatte und Pablo Picasso selbst neun Jahre zuvor Schüler gewesen war. Seine Lehrer dort waren Modest Urgell und Josep Pascó.
Von 1910 bis 1911 arbeitete Miró zunächst als Buchhalter in der Drogerie Dalmau Oliveras S.A. Nach einem Nervenzusammenbruch und einer Typhuserkrankung gab er den kaufmännischen Beruf auf und zog zur Genesung in den neu erworbenen Bauernhof seiner Familie nach Mont-roig del Camp bei Tarragona. Der Widerstand gegen eine künstlerische Ausbildung schwand, und Miro durfte sich an der privaten Kunstschule „Escola d’Art“ von Francesc Galí einschreiben, die er von 1912 bis 1915 besuchte. Galí hielt seinen Schüler für hochbegabt, wie er dem Vater bei einem seiner wöchentlichen Besuche erklärte.[4] Galí führte seine Schüler in die moderne französische Kunst ein und in die Architektur des Antoni Gaudí, Barcelonas berühmten Künstler des Modernisme.
Im Jahr 1912 besuchte er eine Ausstellung kubistischer Malerei in der Galerie Dalmau in seiner Heimatstadt, wo er die Werke von Marcel Duchamp, Albert Gleizes, Juan Gris, Marie Laurencin, Fernand Léger und Jean Metzinger kennenlernte. Von 1913 bis 1918 besuchte Miró die freie Zeichenakademie des „Cercle Artístic de Sant Lluc“. Diese forderte die Abkehr vom Modernisme und Rückkehr zum Klassizismus unter Berücksichtigung des mediterranen Erbes; Avantgarde-Künstler wurden nur bedingt akzeptiert
Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs musste Miró ab 1915 Militärdienst leisten. Wer es sich leisten konnte, pflegte sich damals vom Militärdienst freizukaufen; der Vater zahlte jedoch nur einen relativ geringen Betrag, der immerhin ausreichte, den Wehrdienst des Sohnes auf insgesamt zehn Monate, verteilt auf mehrere Jahre, zu verkürzen. Miró verzweifelte gelegentlich an seiner Arbeit: „Ich verfügte nicht über die bildnerischen Mittel, um mich auszudrücken und fühlte mich deshalb elend. Manchmal schlug ich, verzweifelt wie ich war, den Kopf gegen die Wand“, zitierte ihn später Michel Leiris.[6] Im selben Jahr richtete Miró sich gemeinsam mit E. C. Ricart in der Calle Baja de San Pedro 51 in Barcelona ein erstes Atelier ein. 1916 lernte er den Kunsthändler Josep Dalmau kennen, der nunmehr sein Förderer wurde, und ein Jahr später Maurice Raynal sowie Francis Picabia, dessen 1917 gegründetes Magazin 391 Miró mit dem Dadaismus vertraut machte. Noch im selben Jahr begann er sich für moderne Dichtung zu interessieren. In der von Pierre Reverdy herausgegebenen Literaturzeitschrift Nord-Sud sah er erstmals die Bildgedichte von Guillaume Apollinaire, der 1917 zum ersten Mal den Begriff Surrealismus prägte. Mirós Schaffen war in den folgenden Jahren zudem stark von den Fauves und den französischen Kubisten beeinflusst. Im Februar 1918 fand in den Galerías Dalmau in Barcelona Mirós erste Einzelausstellung statt, die 60 Landschaftsgemälde und Stillleben umfasste. Im selben Jahr gründete er zusammen mit Ricart, J. F. Ràfols, Francesc Domingo, Rafael Sala – später kam Josep Llorens i Artigas dazu – die Gruppe Courbet (Agrupació Courbet), benannt nach Gustave Courbet, dessen Radikalität sie bewunderten. Der Name stand für den Wunsch, als progressive Künstler innerhalb Barcelonas zu gelten und die katalanische klassizistische Kunstströmung des Noucentisme zu überwinden. Ihre gemeinsamen Ausstellungen lebendiger, farbenfroher Werke verliefen jedoch wenig erfolgreich.
Im März 1919reiste Miró das erste Mal für einige Monate nach Paris, wo er Pablo Picasso in dessen Atelier aufsuchte. Letzterer erwarb von seinem jüngeren Landsmann ein in diesem Jahr gemaltes Selbstbildnis. Für die Zeitschrift L’Instant entstand sein erstes Plakat, viele weitere sollten folgen. Ende 1920 bezog er in der rue Blomet 45 in Paris ein Atelier; mit seinem Nachbarn, André Masson, schloss er bald Freundschaft. Sie lebten in kärglichen Verhältnissen, doch im Gegensatz zu Masson kleidete sich Miró bürgerlich, wählte zum Ausgehen weiße Gamaschen und trug ein Monokel, als ob er die Firma seines Vaters übernommen hätte. Die Kunstmetropole zog ihn an, gleichwohl blieb er seiner katalanischen Heimat stets verbunden. Daher lebte Miró abwechselnd im Sommer in Mont-roig del Camp, Spanien, und im Winter in Paris, wo er sich den Dichtern Max Jacob, Pierre Reverdy und Tristan Tzara zugesellte und an Dada-Aktivitäten teilnahm.
Im Jahr 1921 organisierte Josep Dalmau Mirós erste Einzelausstellung in Paris, die in der „Galerie la Licorne“ gezeigt wurde. Da sie erfolglos verlief, konnten seine materiellen Schwierigkeiten nicht abgewendet werden. Zwei Jahre später machte er Bekanntschaft mit Henry Miller, dessen Buch The Smile at the Foot of the Ladder er später illustrieren sollte, sowie mit Ernest Hemingway, der sich ebenso wie Miller zu dieser Zeit in Paris aufhielt; Hemingway lieh sich Geld, um 1925 Mirós Gemälde Der Bauernhof (1921/22) zu erwerben.[11] 1923 war er mit einigen seiner Werke an der Ausstellung im Salon d’Automne beteiligt.[7] Durch André Masson lernte Miró im Jahr 1924 die Surrealisten Louis Aragon, André Breton und Michel Leiris kennen und schloss sich als Mitglied der Surrealistengruppe an, blieb jedoch unter ihnen ein stiller Außenseiter. An Michel Leiris schrieb er in einer Korrespondenz am 10. August 1924, dass er sich nun von alten Bildkonventionen löse. Er proklamierte dort in einem Dreischritt reine Linie, reine Farbe, dazwischen Nuancen, die er als Charme und Musik der Farbe charakterisierte.[12] 1925 fand seine zweite Einzelausstellung in Paris statt, die von der „Galerie Pierre“ ausgerichtet wurde. Im selben Jahr war Miró zudem an der ersten Surrealistenausstellung dieser Galerie beteiligt.[7] 1926 arbeiteten Miró und Max Ernst am Bühnenbild und an den Kostümen für Djagilews Ballett Romeo and Juliet, Musik von Constant Lambert, das von den Ballets Russes aufgeführt wurde. Diese Mitarbeit rief den Protest der Surrealistengruppe hervor. Im selben Jahr starb sein Vater in Mont-roig.
1927 bezog Miró ein Atelier in Les Fusains in der rue Tourlaque 22 am Montmartre und hatte unter anderem Hans Arp, Paul Éluard, Max Ernst und René Magritte als Nachbarn. 1928 lernte er die Bildhauer Constantin Brâncuși, Alberto Giacometti[ und Alexander Calder kennen; mit den beiden letztgenannten verband ihn eine lebenslange Freundschaft, die sich in Mirós und Calders Werken widerspiegelt – so schufen beide Künstler in den 1940er Jahren mit Constellationen betitelte Serien, wobei Calder Holz und Metall und Miró die Gouache nutzte. Miró besuchte in diesem Jahr die Niederlande und begann, inspiriert von den niederländischen Meistern, mit einer Serie von Bildern,den Intérieurs hollandais. 1929 schloss sich Salvador Dalí auf Anregung von Joan Miró der Gruppe der Surrealisten in Paris an. Im Oktober 1929 heiratete Miró die aus Palma de Mallorca stammende Pilar Juncosa Iglesias (1904–1995) in Palma. Das Paar nahm sich eine Wohnung in der rue François Mouton in Paris. 1930 wurde seine Tochter Maria Dolors in Barcelona geboren. Aufgrund der Weltwirtschaftskrise konnte Mirós Kunsthändler Pierre Loeb seine Bilder nicht mehr kaufen, sodass ihn ab 1932 der Kunsthändler Pierre Matisse in New York unter Vertrag nahm.
Spanischer Bürgerkrieg – Zweiter Weltkrieg
Als 1936 der Spanische Bürgerkrieg ausbrach, verließ Miró bis zum Jahr 1940 Mont-roig und lebte ausschließlich in Paris. Im Mai 1936 war Miró, neben Pablo Picasso, Alberto Giacometti, Salvador Dalí, Meret Oppenheim, Yves Tanguy, Hans Arp und Max Ernst, an der von André Breton konzipierten und vom Pariser Kunsthändler Charles Ratton eingerichteten Ausstellung „Exposition surréaliste d’objets“ vertreten. Gezeigt wurden eigens für diese Schau realisierte surrealistische Objekte, die von Ratton „innerhalb seiner Vitrinen gemäß der surrealistischen Vorstellung von einer kollektiven, unbewussten Kreativität gemeinsam mit völkerkundlichem Material, Arbeiten Geisteskranker, bizarrer Mineralien, kuriosen Fundstücken und ähnlichen Dingen“ integriert wurden. Einen Monat später war Miró mit 15 Werken an der Ausstellung „Fantastic Art, Dada, Surrealism“ im Museum of Modern Art, New York, beteiligt sowie an der von Roland Penrose organisierten „International Surrealist Exhibition“ vom 11. Juni bis zum 4. Juli 1936 in den New Burlington Galleries in London.
Für den spanischen Pavillon der Weltausstellung 1937 in Paris stellte Miró neben Picassos Guernica und Calders Quecksilberspringbrunnen sein heute als verloren geltendes Monumentalgemälde Le faucheur (Der Schnitter oder Katalanischer Bauer) aus und entwarf für die Ausstellung ein Plakat mit dem Titel Aidez l’Espagne. 1938 war er an der „Exposition Internationale du Surréalisme“ in der Galerie Beaux-Arts in Paris beteiligt.
Nach der Besetzung Frankreichs durch die deutschen Truppen während des Zweiten Weltkriegs im Jahr 1940 kehrte Joan Miró von seinem Zufluchtsort Varengeville-sur-Mer, wo er die Sommermonate seit 1938 verbracht hatte, in sein Heimatland Spanien zurück und wohnte zunächst in Palma de Mallorca, ab 1942 in Barcelona in seinem Geburtshaus. Im Jahr des Todes seiner Mutter 1944 begann er zusammen mit seinem Freund, dem katalanischen Keramiker Josep Llorens i Artigas, den er aus Barcelona kannte, mit Keramikarbeiten. Artigas, der ebenfalls zusammen mit Raoul Dufy und Albert Marquet arbeitete, hatte Miró zur Keramik geführt. Zudem schuf er erste modellierte Figuren kleineren Formats, die 1950 in Bronze gegossen wurden.
1947 reiste Miró erstmals in die Vereinigten Staaten, um ein Wandbild für das Terrace Plaza Hotel (ab 1965 Terrace Hilton Hotel) in Cincinnati zu entwerfen. Er arbeitete daran neun Monate in einem Studio in New York und lernte während dieser Zeit Clement Greenberg und Jackson Pollock kennen. Im selben Jahr nahm er an der Ausstellung „Le Surréalisme en 1947: Exposition internationale du surréalisme“ in der Galerie Maeght, Paris, teil, die von André Breton und Marcel Duchamp organisiert wurde. 1948 kehrte Miró nach Paris zurück, wo eine Ausstellung seiner Keramikskulpturen in der Galerie Maeght eröffnet wurde. Der Katalog zur Ausstellung enthielt unter anderem Texte von Tristan Tzara, seinem Freund, dem Hutmacher und Mäzen Joan Prats i Vallès, sowie von Paul Éluard. 1950 gravierte er in Barcelona seine ersten Xylographien.[20]
1956 verlegte Miró seinen festen Wohnsitz nach Cala Major, einem Verwaltungsbezirk von Palma. Das Wohnhaus Son Abrines war von Mirós Schwager, dem Architekten Enrique Juncosa Iglesias (1902–1975), entworfen und gebaut worden. Zusammen mit Artigas hatte er zuvor zwei großflächige Wandreliefs (Mond- und Sonnenmauer) für das UNESCO-Gebäude in Paris gefertigt, für die beide Künstler mit dem Internationalen Guggenheim Award des Jahres 1958 ausgezeichnet wurden. Mit der Dotierung von 10.000 US-Dollar erwarb Miró das angrenzende Landhaus Son Boter, das ursprünglich als Skulpturenwerkstatt geplant war, jedoch im Lauf der Zeit zu seinem zweiten Atelierhaus wurde.
Den Bau einer neuen Werkstatt auf dem Gelände ließ Miró 1956 von dem Architekten Josep Lluís Sert, einem Freund des Künstlers, ausführen. Der Direktor der Harvard University Graduate School of Design galt als Wortführer der europäischen Avantgarde der Architektur. Sert schuf einen poetischen und funktionellen Raum, in dem Miró seinen künstlerischen Prozess zum Höhepunkt bringen konnte. Die Vorstellung von einer großen Werkstatt hatte Miró bereits im Jahr 1938 in dem autobiografischen Text „Ich träume von einem großen Atelier“ in der Zeitschrift Le XXe Siècle geäußert:
„[…] mein Traum, wenn ich mich einmal irgendwo wirklich niederlassen kann, ist, eine große Werkstatt zu haben, nicht so sehr wegen der Beleuchtung, […] sondern um Platz zu haben, für viele Leinwände, denn je mehr ich arbeite, desto mehr Lust habe ich zu arbeiten.“
In den folgenden Jahren arbeitete er hauptsächlich an Skulpturen. 1959 erfolgte sein zweiter Besuch der Vereinigten Staaten anlässlich einer großen Miró-Retrospektive im Museum of Modern Art in New York. 1960 arbeitete er zusammen mit Artigas an einem Wandbild für die Harvard University und reiste 1961 ein drittes Mal in die Vereinigten Staaten. Er war dort beteiligt an den Ausstellungen Alexander Calder – Miró und The Art of Assemblage, beide in New York. Im selben Jahr erschien eine umfangreiche Biografie von Jacques Dupin in Paris, an der Dupin und Miró seit 1957 gearbeitet hatten.
Im Jahr 1964 wurde in Saint-Paul-de-Vence die Fondation Maeght eröffnet. Das Gebäude war wiederum ein Entwurf von Sert; zahlreiche Skulpturen aus Keramik, die in einer Zusammenarbeit mit Artigas und dessen Sohn Joan Gardy Artigas entstanden waren, und ein Labyrinth Mirós, fertiggestellt 1968, sind Bestandteil der Ausstellung. 1968 wurde sein 75. Geburtstag mit einer ganzen Reihe von Ehrenbezeugungen gefeiert, insbesondere mit einer Ausstellung der Fondation Maeght.
„Miró otro“
1969 richtete eine Gruppe junger spanischer Architekten in ihrem Verbandshaus in Barcelona eine Ausstellung mit dem Namen Miró otro aus. Sie protestierten damit gegen Francos Behörden, die sich des Malers bedienen wollten, aber auch gegen Designer und Plakatmaler, die Mirós Repertoire zu plündern und zu vulgarisieren begannen. Miró malte in der Nacht vor der Eröffnung aggressive Bilder auf die Fensterscheiben, um klarzustellen, dass er nicht käuflich sei, und wusch sie drei Tage später wieder ab. Louis Aragon widmete der Ausstellung des „anderen Miró“ eine Ausgabe der literarischen Zeitschrift Les Lettres françaises.
1970 entstanden zwei Wandbilder für den öffentlichen Raum, das erste für die Weltausstellung in Osaka, das zweite, aus Keramik, für den Flughafen in Barcelona. Ein Jahr später initiierte Miró die Gründung einer Stiftung, deren Gebäude in Barcelona ebenfalls von Sert geplant wurden. Sie wurde 1975 unter dem Namen Fundació Joan Miró eröffnet.
Letzte Jahre
Aus Sorge, sein kreatives Umfeld könne in Vergessenheit geraten oder durch die 1956 begonnene rege Bautätigkeit im Sog des beginnenden Touristenstroms nach Mallorca ganz verschwinden, übergab Miró einen Teil seines Besitzes als Schenkung der Stadtverwaltung von Palma. Aufgrund dieser Schenkung wurde 1981 die zweite Stiftung, die Fundació Pilar i Joan Miró a Mallorca, gegründet. Ihr Sitz befindet sich in Cala Major, wo Miró lebte und arbeitete. Mirós Beweggründe für die zweite Stiftung werden aus dem folgenden Zitat ersichtlich:
„[…] ich wünsche nicht, dass eines Tages an dieser Stelle irgend einer dieser schrecklichen Wolkenkratzer gebaut werde, die mich von allen Seiten umringen […] Die Idee, dass eines Tages ein Vorschlaghammer die Wände von Son Boter niederreißen und die Bilder dort für immer verloren gehen könnten, verfolgt mich Tag und Nacht […]“
Der 90. Geburtstag des Künstlers am 20. April 1983 wurde weltweit mit einer Reihe von Ausstellungen, Publikationen und Ehrungen gefeiert. So widmete die Stadtverwaltung von Barcelona Miró eine Ehrenwoche, die Semana de homenaje à Joan Miró, in deren Verlauf die Monumentalskulptur Frau und Vogel auf der Plaça de l’Escorxador offiziell eingeweiht wurde. Den Auftrag für das Werk hatte die Stadtverwaltung im Jahr 1981 erteilt.
Am 25. Dezember desselben Jahres starb Joan Miró in Palma de Mallorca und wurde am 29. Dezember im Familiengrab auf dem Friedhof von Montjuïc in Barcelona beigesetzt.[26] Seine einzige Tochter, Maria Dolors Miró Juncosa, Ehrenvorsitzende der Miró-Stiftungen in Barcelona und Palma, starb Ende Dezember 2004 im Alter von 74 Jahren.
Werk
Miró schuf eine große Anzahl an Werken. In seinem langen Künstlerleben entstanden etwa 2000 Ölgemälde, 500 Skulpturen, 400 Keramiken sowie 5000 Collagen und Zeichnungen. Das grafische Werk umfasst etwa 3500 Arbeiten, darunter Lithografien und Radierungen, die zumeist in kleinen Auflagen gedruckt wurden.
Gemälde, Grafik, Collagen
„Wie dachte ich mir all die Ideen für meine Bilder aus? Nun, ich kam spät nachts in mein Atelier in der rue Blomet zurück und ging zu Bett, manchmal ohne etwas zu Abend gegessen zu haben. Ich sah Dinge, ich hielt sie in meinem Notizbuch fest. Ich sah Erscheinungen an der Decke […]“
Frühwerk
Zwischen 1912 und 1915, als Miró an der privaten Kunstschule „Escola d’Art“ von Francesc Galí eingeschrieben war, malte er die meiste Zeit in Mont-roig del Camp. Es entstanden Landschaften im Stil des Fauvismus, jedoch „in ganz düsteren, erdhaften Farben, die er der Schwere des Materiellen enthob und im Sinn eines poetischen Realismus auffrischte.“ Er benutzte die Volks- und katalanische Kunst als Quellen für seine Malerei, außerdem setzte er sich mit der Gegenwartskunst auseinander. So zeigte zum Beispiel sein Stillleben Wanduhr und Laterne die Beeinflussung durch Paul Cézanne, Vincent van Gogh und Henri Matisse. Das Stillleben aus dem Jahr 1917, Nord-Sud, weist mit seinem Bildinhalt auf Volkskunst, Literatur und die französische Avantgarde hin, zeigt es doch neben einer Keramik, einem Vogelkäfig und einer Blume einen Band von Goethe sowie eine gefaltete Ausgabe von Nord-Sud, einer Zeitschrift für Dada und Surrealismus. Das Gemälde aus dem Jahr 1920, Der Tisch (Stillleben mit Kaninchen), zeigt auf einem kubistisch gemalten Tisch im Kontrast dazu naturalistisch ausgeführte Tiere wie das Kaninchen, einen Hahn und einen Fisch sowie Paprika, Zwiebel und Weinblätter. Das Gemälde La Masía, dt. Der Bauernhof (1921/22), das Ernest Hemingway im Jahr 1925 für 5.000 Francs in Paris erwarb, gilt als ein Schlüsselwerk Mirós.[30] Es zeigt den Bauernhof seiner Eltern in Mont-roig del Camp, der für den Künstler eine Quelle der Energie darstellte. In diesem Bild vermengen sich eine realistische Darstellung mit abstrakten Motiven. Das Gemälde befindet sich heute in der National Gallery of Art in Washington D.C.
Übergang zum Surrealismus
Relativ abrupt erfolgte um 1924 der Übergang zum Surrealismus, wobei Miró jedoch seine eigene und unverwechselbare Bildersprache entwickelte. Genauso wie er den Kubismus als Lernstufe empfand, so empfand er gleiches beim Surrealismus, zumal er beide Kunstrichtungen als zu ideologisch und „beide Dogmen als künstlerisch zu einengend kategorisch ablehnte“.[29] In dem Gemälde Gepflügte Erde (1923/24) fand Miró zu einer neuen Bildsprache, die die Naturbeobachtung in ein System von Farben und Zeichen übersetzt, jedoch ist sie noch nicht vollständig in eine eigenständige Zeichenwelt eingebunden. In Katalanische Landschaft (Der Jäger) aus demselben Zeitraum ist der Bildinhalt auf Zeichen und Linien reduziert, der Jäger ist nur an einer realistisch gemalten Pfeife zu erkennen.[32] Miró beklagte später oft, dass er in den mageren Zeiten in Paris durch Halluzinationen, die bedingt waren durch Hunger – er gab sein Geld stattdessen für Malutensilien und Reisen in sein Heimatland aus – und das Starren auf die Risse im Beton seine Bildersprache verloren hatte. Wie Masson und der frühe Tanguy schuf Miró aus der von der Surrealistengruppe um Breton hervorgegangenen Écriture automatique eine aus dem Schreiben und Zeichnen entwickelte Malerei, wobei er die Kontrolle über den gestalterischen Prozess nie aufgab.
In den Jahren 1924 und 1925 entstanden eine Reihe von „Bild-Gedichten“, wie Miró sie nannte, wozu Sterne im Geschlecht von Schnecken von 1925 gehört. Im selben Zeitraum entstand als Folge der surrealistischen Beeinflussung des Unbewussten sein Gemälde Karneval des Harlekins (1924/25). Vom Frühjahr 1925 bis zum Sommer 1927 arbeitete Miró an seinen so genannten „Traumbildern“. Diese Gemäldegruppe zeichnet sich durch eine zurückgenommene, fast monochrome Farbigkeit und eine undefinierte schwebende Raumsituation aus wie beispielsweise in dem Gemälde Tänzerin II aus dem Jahr 1925.[36] Trotz seiner romantischen Fantasie war Miró ein sorgfältiger Planer. Seine Bilder existierten in vorläufiger Form in seiner Vorstellung und in Studien auf dem Papier, lange bevor sie auf der Leinwand verwirklicht wurden. Badende aus dem Jahr 1925 ist ein weiteres Beispiel für ein monochromes Bild aus dieser Zeit. Weiße und gelbe Linien sind Bewegung geworden, die den Betrachter vor dem als Meerlandschaft gestalteten Hintergrund durch das Bild leiten. Das Gemälde Photo – ceci est la couleur de mes rêves, bildet Schriftzeilen und einen blauen Fleck vereint auf einem ockerfarbenen Untergrund ab.[37] Die Holländischen Interieurs I bis III folgten nach einer Reise in die Niederlande im Jahr 1928. Sie entstanden nach Anregungen durch die alten niederländischen Meister. Beispielsweise inspirierte Jan Steens Katzentanzstunde (1626–1629) Miró zu Holländisches Interieur II, indem der Künstler Zeichen und Signaturen aus Steens Bild löste und in seinem Werk „übersetzt“ aufnahm.[38] Das Gemälde Königin Luise von Preußen aus dem Jahr 1929 charakterisiert ebenfalls den surrealistischen Einfluss. Nach einer spanischen Werbung für den Dieselmotor der deutschen Firma Junkers, die er aufbewahrte und mit „Pour la Reine“ beschrieb, entwarf er das Bild, indem er die Zeichnung des Motors so weit reduzierte, bis sie die Form einer eingeschnürten Frauenfigur annahm.[39] Ab 1929 begann Miró mit der Lithografie zu experimentieren, die ersten Schnitte erschienen ab 1933.
Einfluss von Hans Arp und Paul Klee
Ebenso wie Paul Klee war Joan Miró fasziniert von der Zahl als Formsprache und Symbol. Ab Mitte der 1920er Jahre tritt die Ziffer in seinen Werken auf, so vor allem im Gemälde 48 aus dem Jahr 1927. Miró war von dieser Zahl besessen; denn er hatte sie jedes Mal, wenn er aus seiner Wohnung in Paris aus der rue Blomet 45 hinaustrat, als Hausnummer auf der gegenüberliegenden Straßenseite an einem Gebäude gesehen. Bei dem Gemälde L’Addition (Die Rechnung) von 1925, so Hubertus Gaßner, stellen die Zahlen „die systematische Chiffrierung einer literarischen Quelle“[40] dar. Die rechts oben vor dem verschwimmenden Farbraum erscheinende Zahlenfolge bezieht sich auf den 1902 erschienenen Roman Le Surmâle (Der Übermann) von Alfred Jarry. Mirós Rechnung bezieht sich auf das „Abzählen der Liebesakte des ‚Übermannes‘, der angetreten ist, um in einem Experiment den Rekord im Dauerbeischlaf von mehr als siebzig Orgasmen zu brechen.“[40] Klee und Miró sind sich nie persönlich begegnet, doch hatte Miró 1925 dessen Gemälde in einer Ausstellung der Pariser Galerie Pierre gesehen und schätzen gelernt. Sowohl Klee als auch Miró sind häufig mit der Bezeichnung „infantil“ kritisiert worden.[41] Ein Nachbar war ab 1927 Hans Arp, dessen Werk mit geschwungenen organischen Formen Miró ebenfalls beeinflusste. Ein Beispiel ist Landschaft (Der Hase) aus demselben Jahr. Diese Formen, als Umriss oder volle Farbfelder, begleiteten Miró während seiner weiteren künstlerischen Laufbahn.[42]
Collagen
In den Jahren 1924 sowie von 1928 bis 1929, in einer kurzen Phase, in der Miró die Malerei völlig aufgeben wollte, schuf der Künstler eine Anzahl von collagierten Arbeiten, wovon eines das Papier collée von 1929 ist. Von dieser Collage, geschaffen aus Teerpappe, Ölpapier und Tapetenresten, existieren im Gesamtwerk Mirós nur zwei weitere ähnliche Arbeiten, die mit denselben Materialien geschaffen wurden und in etwa dasselbe Format haben: ein Porträt von Georges Auric, das heute im Kunsthaus Zürich ausgestellt ist sowie ein Werk, das sich lange im Besitz des surrealistischen Dichters Georges Hugnet (1906–1974) befand.[43][44] Ab 1931 wandelte Miró die Collagen weiter ab und begründete, neben Willi Baumeister, das sogenannte Materialbild, „indem sie mit Hilfe von Sand, Gips und Mörtel ihren Malereien eine reliefartig aufgeraute, plastische Wirkung“[45] gaben.
„Wilde Bilder“
Unter dieser Bezeichnung fasste Miró die von ihm selbst so genannten Bilder ab 1934 zusammen. Ursache waren die unsicheren politischen Verhältnisse in Spanien und das Aufkommen des Faschismus. In einer Serie von 15 Pastellen auf Velourspapier zeigte er schmerzverzerrte, verdutzte, bestienhafte Individuen, hauptsächlich Frauen. 1935 entstand das Materialbild Strick und Personen I, das sowohl die Collagen als auch die Wilden Bilder weiterführt. Der auf dem Gemälde aufgebrachte echte gewundene Strick ist ein Symbol der Gewalt. Man Ray schrieb in seiner Autobiografie, dass der Gebrauch des Seils mit einer angedrohten Erhängung Mirós im Atelier von Max Ernst zu tun habe, als Miró trotz Aufforderung zur Beteiligung in einer Diskussion beharrlich schwieg. Das Anfang 1934 fertiggestellte Bild Schwalbe/Liebe, in dem sich scheinbar im freien Fall befindliche Figuren und die Wortelemente „Hirondelle“ und „Amour“ mit verschlungenen Linienzügen verbinden, bewirkt dagegen ein Gefühl der Offenheit und des Loslassens.[46] Im Oktober 1935 malte er mit Mann und Frau vor einem Kothaufen ein Gemälde in düsterer Atmosphäre; vor einem statuenhaft aufgerichteten Kothaufen steht ein verfremdet gemaltes Paar mit extrem hervorgehobenen Geschlechtsteilen.
Werke zur Zeit des Bürgerkriegs – „Barcelona-Serie“
Unmittelbar vor und zu Beginn des spanischen Bürgerkrieges (1936–39), der den Künstler weiterhin in seinem Schaffen beeinflusste, schuf Joan Miró zwischen Juli und Oktober 1936 die noch zur „wilden Phase“ zählende 27 Bilder umfassende Serie Pintures damunt masonita (Bilder auf Masonit). Eine Rückkehr zum Realismus folgte 1937 mit Stillleben mit altem Schuh; alltägliche Motive wie Schuh, Brot, ein Apfel, der von einer wie eine Waffe aussehenden Gabel durchstochen wird, wirken wie eine apokalyptische Vision. Für die Weltausstellung in Paris 1937 entstand das heute verschollene Monumentalgemälde Le faucheur (Der Schnitter) sowie das Plakat Aidez l’Espagne (Helft Spanien), beide mit revolutionären Motiven gegen die faschistischen Putschisten General Francisco Francos.[47] Der Siebdruck wurde für einen Franc verkauft, der Erlös ging an die republikanische Regierung in Madrid. Danach folgte die Arbeit an der Barcelona-Serie, 50 Lithografien in Schwarz, geschaffen in aggressiver Manier aus den Jahren 1939–1945, sie wurden herausgegeben von Joan Prats, einem langjährigen Freund Mirós und Kunstmäzen im Umkreis Barcelonas.
„Konstellationen“
Zwischen 1940 und 1942 schuf Joan Miró die 23 Blätter umfassende Serie Konstellationen, es handelt sich um Gouachen, in denen inmitten eines dichten Gewebes aus Kreisscheiben und linearen Zeichen größere Figuren, die häufig Frauen und Vögel darstellen, eingebettet sind.[48] Die Serie hatte in ihrer neuartigen All-Over-Struktur mit den sich wiederholenden Elementen und der Anwendung automatischer Zeichnung großen Einfluss auf die amerikanische Kunstentwicklung in der New York School. Die Resultate dienten später ihrerseits als Inspirationsquelle für Miró.[49] Bezüglich der Konstellationen gab es jedoch auch Vorwürfe, Miró habe in schwerer Zeit mit dieser Serie „Harmlosigkeit“ und eine „Stereotypie der Unschuld“ geschaffen. Ähnliche Vorwürfe wie die des „Dekorateurs“ und „Organisators farbiger Oberflächen“ hat auch Henri Matisse – die Maler kannten und schätzten sich – ertragen müssen. Wie Matisse setzte Miró in den Konstellationen die Farbe auf der Fläche frei und benutzte Schwarz als Farbe, wollte die Fläche jedoch im Gegensatz zu Matisse mit dem Gewimmel von Figuren und Zeichen in Bewegung setzen. Matisse’ Arbeiten waren einfacher zu identifizieren.[50]
Monochrome Bilder
Von 1955 bis 1959 widmete sich Miró ganz der Keramik, erst 1960 nahm er die Malerei wieder auf. Es entstanden Serien auf weißem Grund sowie das Triptychon Bleu I, II, III aus dem Jahr 1961, das fast vollständig monochrom blau ist und ein wenig an die Bilder von Yves Klein erinnert.[21] Nachdem er die blaue Farbe aufgetragen hatte, unterbrach er kontrolliert den Farbraum mit minimalistischen Zeichen, Linien, Punkten und Pinselstrichen, indem er die Farben mit der „Besonnenheit der Gebärde eines japanischen Bogenschützen“ (Miró) auftrug.[51] Diese Gemälde erinnern an Mirós Werke aus der Zeit um 1925, als er monochrome Gemälde, wie die Danseuse II (Tänzerin II), mit wenigen empathischen Akzenten schuf. „Für mich ist es wichtig, ein Maximum an Intensität mit einem Minimum an Aufwand zu erreichen. Daher wird die Leere in meinen Bildern immer wichtiger“, lautete seine Aussage zu diesen Arbeiten.[52]
„Lettres et Chiffres“ – Spätwerk
Ende der 1960er Jahre malte Miró eine ganze Reihe von großformatigen Tafeln unter dem Titel Lettres et Chiffres attirés par une étincelle (Buchstaben und Zahlen, von einem Funken angezogen). Auf einen malerisch marmorierten Farbraum setzte er, ähnlich wie bei L’Addition, vereinzelte, minimalistische, sich wiederholende lettristische und numerische Zeichen – die von Mirós Interesse für konkrete Poesie und serielle Musik zeugen –, im Gegensatz zu früher, ganz wenige Chiffren, wie das T oder 9 die „wie im Kosmos um den andersfarbigen Fleck, den Funken des Titels, gravieren.“[40]
Eine fünfteilige Serie, die Toiles brûlées (Verbrannte Leinwände) aus dem Jahr 1973, drückten Mirós Zorn gegen die Kommerzialisierung der Kunst aus. Er zerstörte zum Teil die mit Farbpulver versehene Leinwand, indem er diese mit einem Gasbrenner bearbeitete, und drehte während des Brandes das Bild nach rechts und links, bevor er löschte.[53] Im selben Jahr entstand Mai 1968, es wirkt mit den Spuren geplatzter Farbbeutel, den Abdrücken von Mirós Händen und den intensiven Farben wie ein Nachruf auf die Pariser Studentenunruhen aus dem Jahr 1968. Weiterhin schuf Miró das Gemälde Frau mit drei Haaren und Vögeln, das seine Malweise aus den 1925er bis 1930er Jahren wieder aufnahm. Das Spätwerk ist gekennzeichnet durch seine Farbgebung aus wenigen reinen Farben unter starkem Einsatz der Farbe Schwarz.[54] 1979 wurde eine Serie von 18 Farblithografien gedruckt mit dem Titel Hommage a Gaudí. In den letzten Jahren seines Lebens widmete er sich zudem der alten katalanischen Kunst der künstlerischen Verarbeitung von Wandteppichen und entwarf Bühnenbilder.[21]
Buchillustrationen
Unter den zahlreichen Künstlerbüchern, die Miró seit den 1930er Jahren geschaffen hat, sei als Beispiel das 1958 erschienene illustrierte Gedicht Paul Éluards genannt. Es trägt den Titel A toute épreuve, wurde bei Gérald Cramer, Genf, veröffentlicht und enthält 80 meist farbige Holzschnitte Mirós. Es gilt als sein schönstes illustriertes Buch.[55] Die Verkaufsauflage betrug 80 Exemplare. Das Gedicht Paul Éluards ist erstmals 1930 in der Édition Surréalistes in Paris abgedruckt worden.
Objets trouvés, Skulpturen, Keramik, Wandteppiche
„Eines geht ins andere über. Alles bildet eine Einheit. Es gibt keine Domäne, die verschieden ist von anderen. Alles ist miteinander verkettet.“
Objets trouvés – Skulpturen
Dona i Ocell (Frau und Vogel), 1982, Keramikkacheln, Barcelona
Ab 1928 entstanden die ersten größeren und kleineren surrealistischen Skulpturen und Objekte, sogenannte „Peinture-objets“ sowie das „Sculpture-objet“ von 1931, bestehend aus einem Holzblock und daran befestigte, teilweise bemalte vorgefundene Objekte, wie ein Korkbrocken, eine Jakobsmuschel und ein Eisenring. Seit 1931 konzentrierte sich Miró, ebenso wie die surrealistischen Künstler Max Ernst, Salvador Dalí, René Magritte und Yves Tanguy, auf das vorgefundene Objekt, das Objet trouvé. Die 180 cm hohe objekthafte Assemblage mit dem Titel Personnage[57] von 1931 (zerstört), ein großer schwarzer Regenschirm, der ein Möbelteil mit großem Stabpenis bekrönte, erfuhr bei der Ausstellung im Salon des Indépendants erhebliche Aufmerksamkeit, wobei das damalige Publikum, wie auch bei späteren dreidimensionalen Arbeiten des Künstlers, die „unverhohlen erotische Anspielung“ lobte.
Seit dem Jahr 1966 schuf Miró größere Skulpturen in Bronze, wobei er sich in der Formgebung an die 20 Jahre vorher erfundenen Formen hielt. Die erste Skulptur des Künstlers ist Oiseau solaire (Sonnenvogel) und stammt aus diesem Jahr. Ein Jahr später entstanden Skulpturen, die aus Fundgegenständen in Bronze gegossen und bemalt wurden. Einige Werke, wie Insektenfrau (1969), erinnern mit ihrer rauen Oberfläche an Skulpturen Alberto Giacomettis.[59] Für die Esplanade de la Défense in Paris schuf Miró 1978 Betonskulpturen und von 1979 bis 1980 arbeitete er an einem figürlichen Modell für eine fünfzehn Meter hohe, farbige Plastik im Central Park in New York.[17] Weitere Skulpturen im öffentlichen Raum folgten. Die Monumentalskulptur Miró’s Chicago, ursprünglich genannt Die Sonne, der Mond und ein Stern, ist etwa zwölf Meter hoch und besteht aus den Materialien Stahl, Draht, Bronze, Beton und Keramikkacheln. Das unweit der 1967 entstandenen Skulptur Chicago Picasso in Chicago stehende Werk wurde am 21. April 1981 enthüllt. 1982 folgten weitere Monumentalskulpturen, Dona i Ocell (Frau und Vogel) in Barcelona sowie Personnage et oiseaux (Figur und Vögel) in Boston.